Das Freitagsgedicht (29)


KÖNIGSWASSER 

(nicht nur für Chemiekundige)



gold / glanz im glauben an die ewigkeit / löst sich einfach auf / es ist nicht alles / wasser /
was so heißt // was das eine nicht schafft / und das andere nicht / schaffen beide / wenn sie sich /
im richtigen verhältnis / vereinen // manche vereinigung / ist instabil / es bleibt aber / was sie /
in ihrem kurzen / gemeinsamen sein / vollbrachte 

So konnte ich mein Gedicht retten, obwohl das Grundsätzliche Urteil des FAK-Zirkelleiter blieb: Da er nicht wusste, was Königswasser ist, weiß MAN nicht was es ist, und dann geht das Ganze so nicht.
Notfalls ... wer hatte das nochmal gesagt: "Und sie löst sich doch!"?

Experimente für FAK


Slov ant Gali: KÖNIGSWASSER


glänzendes gold / gemacht für die ewigkeit / löst sich einfach auf / es ist nicht alles / wasser /
was so heißt // was der eine nicht schafft / und der andere nicht / schaffen beide / wenn sie sich /
im richtigen verhältnis / vereinen // manche vereinigung / ist instabil / es bleibt aber / was sie /
in ihrem kurzen / gemeinsamen leben / vollbrachte 

Slov ant Gali: Wasserspeier


Die knospen deiner zunge / schmecken noch / das rauchige salz / vom kassler zum mittag /
die ohren / fangen noch / der möwen lustgeschrei / die nase weiß schon / um das salz das kommt //
eingegossen / in den wall / gegen die steigenden fluten / ließ man dir / haut im wind //  noch / hat dein manneken pis angst / alltägliches zu tun / als ob dann / die flut stärker stiege / als ob dann / du deinen letzten geschmack / wiedererkanntest / wenn der pegel dir / die augen schließt //  sie häufen schon / die masse über dir / bald ist sie / ausgehärtet //  die flut wird kommen / wie sie immer schon kam / die millimeter tide unterschied / merkst du erst / wenn das salz / an der oberlippe / nicht trocknet //  trink haben sie dir gesagt / und du wirst trinken / und glauben / der ozean hört auf zu steigen / deinetwegen / ja trink nur / du wirst mehr durst bekommen / bis zur nächsten flut / du wirst glauben / wollen / das wasser gab auf / wenn die ebbe / begonnen hat / dein manneken pis / wird frohlockend / den flüchtenden fluten / hinterhersprudeln // irgendwo im norden / lösen sich süße berge / dich mit letzten schlucken / zu erlösen / zähle nicht die flutwellen / die kommen / nur die eine zählt / nach der du / zu speien aufhörst //  ich würde dir gern / mehr erzählen / vom leben in beton / doch die nächste flut / kitzelt mir / den bart //

Rezension zu Alexander Kröger "Der Untergang der Telesalt"

Damit niemand behaupten kann, ich hätte verschwiegen, dass ich diesen Roman als "Vergleichsobjekt" zu "Ich wurde Gott" verschweigen wollte:



Es ist mitunter ein besonderes Erlebnis, dass man vor Jahren einmal gelesen hatte, neu zu entdecken.
An Krögers „Der Untergang der Telesalt“ war nur ein dunkler Schimmer zurückgeblieben, dass es mir beim ersten Mal gefallen hatte und der Hauptstrang, dass eine Expedition von der Erde auf die Überreste einer Gemeinschaft stößt, die einst von der Erde aufgebrochen war, um den Kosmos zu besiedeln, nun aber in eine matriachalische Urgesellschaft versunken ist.
Die Fassung ist die von 1989 unter „spannend erzählt“ in der DDR veröffentlichte. Angeblich hat der Autor eine überarbeitete Version herausgebracht. Ein Vergleich zwischen den beiden Fassungen ist sicher interessant. An der vorliegenden ist das Symbolhafte besonders reizvoll. Die Geschichte der ca. 1000 Siedler liest sich wie eine Metapher auf die Geschichte des „Realsozialismus“ mit dem weisen Kommentar, „das konnte so nichts werden“. Heute würde ich gegen den Vergleich entschiedenen Protest anmelden: Wer sich auf der Erde einbildete, den Sozialismus aufbauen zu können, musste es mit den vorhandenen Bedingungen versuchen. Die Siedler der „Telesalt“ hätten in der ganzen Zeit des Beginns ihr riesiges Schiff gehabt, das ihnen über 10 Jahre Heimstatt gewesen war. Es bestand kein Grund, wie eine Herde ungestümer Kinder in die fremde Natur hinauszustürmen und ohne gründliche Untersuchung der Umweltbedingungen im weitesten Sinn unbedingt ein neues fertiges Leben außerhalb des bewährten Schutzes des Raumschiffes zu wagen. All die von Kröger angeführten Katastrophen haben irdische Parallelen; nicht ist so ausufernd ausgedacht, dass die Möglichkeit solcher Ereignisse den Handelnden nicht hätte einfallen können – wodurch ein Teil ganz ein anderer im Schadensumfang hätte vermieden werden können. Kröger lässt sowohl die Führung einen unverantwortlichen Aktionismus an den Tag legen als auch die Masse dem folgen. Als Autor vergleichbarer Szenarien frage ich mich, ob eine angeordnete Schufterei unter relativ unfreundlicher Atmosphäre zwecks „Planerfüllung“ nicht mindestens einer längeren Anpassung bedurft hätte.
Kröger löst viele Probleme, welche Wertungen ER (nicht) abgeben wollte, durch die Sicht der am plastischsten nachempfindbaren Figur der Lehrerin Fanny. Hier stimmt alles:Die kritische Sicht und der Selbstzweifel, ob denn der eigene Blickwinkel nicht nur kleinmütig ist, bis hin zu den Formen ihrer Vereinsamung und Depression.
Auf den „Prolog“ hätte ich ganz verzichtet. Er ist handwerklich mehrfach ungeschickt. Zwar bildet sich Kröger ein, dass durch den Auftrag, im Nachhinein ein Buch über die ungewöhnlichen Entdeckungen zu schreiben, die Spannung / Neugierde steigen könnte, die ist aber beim Lesen eines Buches, bei dem sich eine menschliche Besatzung einem Planeten mit möglichen intelligenten Lebensformen darauf bei allen Lesern solche Art Literatur sowieso gegeben. Auch wird der Faden nicht mehr wieder aufgenommen. Man erfährt nicht, was aus dem Projekt am Ende wird.
Auch tritt Kröger auf die Spannungsbremse, wenn er potentielle Konflikte zwischen dem neuen kleinen Raumschiffteam zwar anfängt aufzubauen, aber nie zu praktischen Handlungskonsequenzen führt. Wahrscheinlich hatte der Ich-Erzähler Sex mit Lisa, bevor er ihr nicht beistand in ihrem Wunsch, bei den hilfebedürftigen Menschen zu bleiben, bis ein nächstes Raumschiff eintrifft, und dann haben sich die Beziehungen abgekühlt, aber nichts „bricht aus“.
Der Ich-Erzähler ist Anthropologe. Es ist schwer zu vermitteln, dass sein „Schliemann-Instinkt“ nicht stärker geweckt worden sein soll bei der vorliegenden Degeneration einer Gemeinschaft.
An einer Stelle musste ich sehr grinsen: Der Autor brachte es wirklich fertig, das Alter eines „Mädchens“ zu umgehen, das die Raumschiffgemeinschaft so indiskret in ihren Nacktheits-Handhabungen beobachtet. Sie hätte ebenso gut fünf wie 19 sein können, am wahrscheinlichsten zwischen 10 und 12. Ich hätte Spannungen zwischen den Besatzungsmitgliedern wegen der Achtung der Intimität dieses Mädchens irgendwie erwartet.
Insgesamt ist das Ganze durchaus lesenswert, weil es auf durchaus neue Weise die Frage aufwirft, was denn die Menschen zu dem macht, was sie sind … oder eben noch nicht oder nicht mehr sind ...



Das Freitagsgedicht (28)

Schöpfungsgeschichte, letzter Akt

Im Himmel
wälzt sich ein
vereinsamter
GOTT
in vergorenem Saft
von Paradiesäpfeln,

Gelegentlich lallt er,
nun müsst ihr
die Welt verstehen.
Macht daraus,
was ihr wollt.

Aber
keiner hört noch
auf ihn.

Das Freitagsgedicht (27)

Euterpes Schicksal

Als aber die muse der poesie
die schwangerschaften nicht mehr zählen konnte
und die dichter die sie geküsst
begann ihr leib in die breite zu gehen

Alsbald kam sie durch keine tür mehr
das war die zeit
als die vernunft ihre rolle mit übernahm

Im letzten klaren bergsee
schwimmt sich noch immer
die einsame muse
ihre ringe von den hüften

Wer sie küssen will
muss
ins kalte wasser springen

Das Freitagsgedicht (26)

niemandsland

Bevor die
menschen sie
mit dem namen
raben versahen
sangen sie
gehüllt in den umhang
aus nachtschwärze
tage
ohne stundenschlag

die alten raben sagen
die tage
des kahlfressenden
homo sapiens
seien gezählt
sein land
werde wieder niemandes
oder
aller land sein
erfüllt vom gesang
namenloser

Aussortiertes, zwischengesichtert

Slov ant Gali: Tertiär

Einmal wird selbstverständlich sein
dass aus demselben Stoff
der grelles Grau und Schwarz
meinerzeits
zu weichender Wärme wandelte
auch Diamanten werden
so
wie die Braunkohlenmenschen um ich herum
zu Brillanten wurden
die hinter dem Licht
das wir heute kennen
lebenswerte Welten
vermessen

Der Stoff
auf dem ich mir
das ausmale
verschwindet
in leerem Raum

unter noch
grünträchtigem acker
warte ich
auf Nutzen
als Anthrazit